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Willem war erst kurz vor elf Uhr aufgestanden. Er hatte beinahe neuneinhalb Stunden geschlafen, ohne auch nur ein einziges Mal von seinen quälenden Geldsorgen geweckt zu werden. Da die Kolumbianerinnen unter ihm jede Samstagnacht in einer Latino-Disko durchmachten und sonntags im Bett blieben, hatte er sogar heiß duschen können. Er fühlte sich blendend. Er zog sich salopper an als sonst, Jeans, ein verwaschenes Polo-Hemd und wildlederne Slipper ohne Strümpfe.

Anschließend setzte er sich in seinen alten Mercedes. Willem hatte ihn seit Wochen nicht mehr bewegt und fast vergessen. Eine dicke Schmutzschicht lag über der ockerfarbenen Lackierung. Er hatte den Wagen noch vor seiner Pariser Zeit in Brüssel für ein paar Tausend belgische Francs gekauft. Schon damals war er recht ramponiert gewesen. Aber er wollte partout nicht auseinander fallen. Willem war fast gerührt, als er den Wagen bestieg: Er steckte den Schlüssel ins Zündschloss, drehte um und das gute Stück sprang gleich beim ersten Versuch an. Er klopfte zum Dank sacht auf das Armaturenbrett wie ein Reiter, der sein Pferd tätschelt, und fuhr zum »White Horse«, einem Pub in Parsons Green.

Vor dem »White Horse« erstreckte sich eine weite Rasenfläche, eingerahmt von schmucken kleinen Backsteinhäusern. Da es eines der wenigen Pubs in der Gegend war, in dem man quasi im Grünen sitzen konnte, war das »White Horse« vor allem bei schönem Wetter eine Attraktion.

Einen Tisch belegte eine Gruppe von Leuten verschiedener Nationalität, Engländer, Italiener und Deutsche darunter. Man winkte Willem zu. Alle waren Banker oder Börsenmakler oder ähnliches. Alle arbeiteten jedenfalls in der City. Er gab ihnen zu verstehen, dass er sich erst etwas zu essen und zu trinken holen würde, bevor er sich zu ihnen setzte. Er bestellte ein enormes englisches Frühstück mit Würsten, Bohnen, Speck, Spiegeleiern, Toast und Champignons, dazu ein Pint Lager. Die Gruppe rückte zusammen, damit Willem Platz finden konnte. Einige kannte er nicht, die anderen nur beim Vornamen. Er traf sie nur im »White Horse«, nur sonntags und das auch nur unregelmäßig.

Sie wussten von Willem noch weniger als er von ihnen. Wenn ihn jemand nach seinem Beruf fragte, antwortete er, er sei Journalist, was ja nach wie vor stimmte. Man unterhielt sich über lauter belanglose Dinge, nie etwas Ernsthaftes, daran war niemandem gelegen. Es ging einfach darum, auf angenehme Weise die Zeit an einem sonnigen Sonntag totzuschlagen, ohne an die vergangene oder künftige Woche zu denken. Jeder kam und ging, wann er wollte. Einige nahmen an der lockeren Runde häufig teil, andere kamen ein paar Mal und wurden danach nie wieder gesehen.

Willem beteiligte sich kaum an der Unterhaltung, die sich dieses Mal vor allem um schnelle Autos drehte. Er war mit seinen Gedanken woanders. Die meisten aus der Runde schienen gut zu verdienen, da sie vor dem »White Horse« mit den neuesten Sportcoupes und Cabriolets angeberisch vorfuhren. Seinen verrosteten Mercedes hielten sie wohl für eine Art Spleen. Er versuchte sich vorzustellen, wie diese aufstrebenden oder bereits erfolgreichen Börsianer reagieren würden, falls sie erführen, dass er so gut wie abgebrannt war. Was würden sie erst sagen, wenn sie wüssten, dass er auf dem besten Wege war, ein Verbrecher zu werden? Willem kam sich wie ein erfolgreicher Hochstapler vor.

Er schaute in die Runde. Die anderen verwöhnte das Leben. Sie strotzten vor Glück und Selbstbewusstsein, genauso wie Henry Hewitt. Doch er würde es ihnen schon zeigen. Es würde nicht mehr lange dauern, und er würde sie alle in die Tasche stecken.

Willem war bester Laune. Er holte sich ein weiteres Pint, das er langsam in der prallen Sonne trank, bevor er sich verabschiedete, nach Hause zurückkehrte, um für zwei Stunden der angenehmen Müdigkeit, verursacht vom schweren Frühstück und zwei großen Gläsern Bier, nachzugeben. Frisch rasiert und umgezogen machte Willem sich anschließend zu Pia auf.

Es dauerte eine ganze Weile, bis er die New Cavendish Street gefunden hatte. Er war selten in dieser Gegend, eigentlich so gut wie nie. Hohe, gepflegte, Georgianische Fassaden drei- und vierstöckiger Häuser reihten sich in gerade Linie aneinander, Straße für Straße. Alles wirkte sehr uniform, aber keineswegs langweilig, eher Vertrauen einflößend. In den meisten Häusern waren Büros untergebracht. Das war leicht zu erkennen.

Vor den Fenstern hingen keine Gardinen, so dass Willem im Vorbeifahren die hohen Regale gefüllt mit Aktenordnern sehen konnte, ebenso wie die Monitore, die auf den Schreibtischen nah an den Fenstern standen. Neben den Eingangstüren blinkten die auf Hochglanz polierten Messingschilder von Steuerberatern und Anwaltsfirmen. Die Woche über herrschte sicherlich geschäftiges Treiben. Doch es war Sonntag. Alles war wie ausgestorben. Jeder Hilferuf wäre wahrscheinlich unerhört verhallt.

Das Haus mit der Nummer 54 lag auf der linken Seite, fast am unteren Ende zur nächsten Querstraße. Alle Parkplätze waren frei, und Willem stellte seinen Mercedes direkt vor dem Haus ab. Auch hier wies ein Messingschild auf eine Anwaltskanzlei hin.

»Hallo? Bist du es, mein Süßer?« Pia lachte durch die Sprechanlage. »Du musst ganz nach oben kommen. Bis gleich.«

Ein dumpfes Brummen ertönte. Willem rüttelte an der Tür.

»Noch kräftiger, schöner starker Mann!«, machte sich Pia, wieder durch den Lautsprecher, über ihn lustig.

Er warf seine Schulter gegen die Tür und taumelte in einen engen Hausflur. Die Wände waren in dem gleichen Taubenblau wie der Teppichboden, der auf den Stufen der steil ansteigenden Treppe lag. Auf jeder Etage waren links und rechts Türen, auf denen in goldener Schrift die Namen der Anwälte standen, denen die dahinter liegenden Büros gehörten. Willem glaubte in jeder Etage, die nächste müsse die richtige sein. Doch nach jeder Biegung gab es eine weitere. Schließlich drehte sich die Treppe noch enger und wurde noch steiler. Am Ende dieser Treppe hatte er endlich sein Ziel erreicht.

Die Tür war angelehnt. Er klopfte.

»Komm nur rein«, rief Pia aus dem Innern der Wohnung.

Willem trat ein und fand sich mitten in einer kleinen Küche wieder.

»Du musst noch ein paar Stufen nehmen. Dann hast du es geschafft.«

Tatsächlich, vor ihm waren zwei weitere Stufen, nach denen Willem in einem kleinen, aber geschmackvollen Zimmer stand. Weiße Wände, heller Teppich, ein weißer Loom-Chair, eine hellbeige Couch, die über und über mit kleinen Kissen bedeckt war – ein durch und durch behagliches Zimmer. Die Vorhänge trugen ein dezentes Blumenmuster, dasselbe wie das der Kissen. Ein kleiner weißer Tisch vor der Couch drohte unter der Last von Modezeitschriften zusammenzubrechen. Einen Winkel verdeckte ein Paravent, den ein Landschaftsbild, vermutlich ein Motiv von Claude Lorrain, schmückte. Auf einem kleinen, mit Taschenbüchern voll gestopften Regal stand eine Vase mit einem riesigen bunten Blumenstrauß. Der ganze Raum hatte eindeutig eine weibliche Note. Willem hatte Pia so viel Geschmack gar nicht zugetraut.

»Wenn du was trinken willst, bedien dich in der Küche! Sonst setz dich einfach auf die Couch!«

Er nahm Platz und schaute in die andere Hälfte des Zimmers, das durch kleine Mauervorsprünge links und rechts optisch wie ein zweiter Raum wirkte. Es war das Schlafzimmer, in dem Pia splitternackt vor einem weit geöffneten weißen Kleiderschrank stand.

»Ich bin noch nicht fertig. Entschuldigung. Ich hoffe, es stört dich nicht.«

»Aber überhaupt nicht. Nimm dir alle Zeit der Welt«, sagte Willem genüsslich.

Pia lachte.

»Gefall ich dir? Findest du nicht, ich bin zu dick geworden?«

Willem betrachtete ausgiebig ihren kleinen runden Frauenkörper. Nein, er hatte nichts auszusetzen.

Pia drehte sich um. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie ihr Haar kurz geschnitten hatte. Ihr schwarzes Haar, das ihr früher wellig und mit einem leichten kastanienbraunen Schimmer auf die Schultern fiel, hatte er immer an Pia besonders gemocht. Im Club hatte er die Veränderung nicht bemerkt, wegen der roten Perücke. Sie hatte sich überhaupt verändert. Ihr Gesicht war härter geworden. Die junge Mädchenblüte war vorüber.

Sie trug in jeder Hand ein Kleid, trippelte wie eine Balletttänzerin auf den Zehenspitzen zu ihm herüber und baute sich direkt vor ihm auf.

»Sag, welches soll ich anziehen?«

Sie hielt die beiden Kleider hoch, immer noch völlig nackt. Willem streckte die Hand aus, zog sie zu sich herunter, und Pia setzte sich auf seinen Schoß. Ohne die Kleider loszulassen, umarmte und küsste sie ihn. Willem ließ seine Hände über ihren samtweichen Körper gleiten. Dann sprang Pia plötzlich auf.

»Nun, sag doch mal, welches Kleid soll ich anziehen? Wir wollen ja nicht den ganzen Abend auf dem Sofa herumknutschen.«

»Nimm das rote«, sagte Willem, nur um etwas zu sagen.

Er wusste nie, was in Pia gerade vorging. Hätte er jetzt gerne mit ihr geschlafen? Vielleicht. Aber so war es besser. Willem wollte sie schließlich zu seiner Komplizin machen und nicht zu seiner Geliebten.

Sie ließen den Wagen stehen. In Soho wäre sowieso kein Parkplatz zu finden. Zudem war es immer noch mild und der Weg nicht mehr als ein halbstündiger Spaziergang. Ganz im Gegensatz zu Pias Wohngegend war Soho voller Leben. Wie jeden Sonntag bevölkerten vor allem chinesische Großfamilien die China-Restaurants. Aber Pia und Willem hatten Glück. Im »Fung Shing« in der Lisle Street war noch ein kleiner Tisch frei.

Pia wählte Crispy Duck als Vorspeise und Sizzly Spicy Prawns als Hauptgericht, Willem schloss sich an. Dazu bestellten sie eine Flasche Gavi.

Pia erklärte ihm die Gepflogenheiten im Club. Die Mädchen waren nicht fest angestellt, sondern hatten nur die Erlaubnis des Inhabers, den Club zu betreten. In der Regel suchten sich die Männer, von denen Pia als den Gästen sprach, das Mädchen, das sie wollten, an der Bar aus. Man setzte sich hin und trank etwas. Die Mädchen mussten Champagner bestellen, den die Männer zahlten. Damit verdiente der Club sein Geld. Die Mädchen lebten allein vom Trinkgeld. Fünfzig Pfund musste ein Gast mindestens hinlegen, damit sich ein Mädchen zu ihm setzte. Die Getränke gingen extra. Die meisten Gäste gaben sich großzügig. Manche, die am Tag ein erfolgreiches Geschäft abgeschlossen hatten, steckten den Mädchen auch mal ein paar Hundert Pfund zu. Natürlich wurden sie auch gefragt, ob sie mit ins Hotel kämen. Darüber entschieden allein die Mädchen. Der Club hatte damit nichts zu tun. Er profitierte nur indirekt von ihrer Verfügbarkeit.

Einige gingen mit niemandem mit. Das waren aber nur wenige. Die anderen machten es einfach davon abhängig, ob der Gast ihnen sympathisch war, und natürlich auch davon, wie viel Geld er ihnen bot und was er dafür verlangte. Zweihundert Pfund waren ungefähr der Einstiegspreis, dreihundert Pfund der Durchschnitt.

Pia gestand ganz offen, dass sie zu denen gehörte, die »rausgingen«. Das war der clubinterne Jargon für Anschaffen. Im ersten Monat habe sie es nicht gemacht, im zweiten Monat zwei- oder dreimal. Inzwischen ginge sie etwa ein- oder zweimal die Woche mit einem Gast mit. Sie ließe sich aber nur auf »normale Sachen« ein.

»Bist du schockiert?«

Willem schüttelte den Kopf. Schockiert war er wirklich nicht. Er sah Pia an und erinnerte sich an das kleine strahlende Mädchen mit den langen, schwarz schimmernden Haaren, dem er vor knapp zwei Jahren begegnet war und das damals mit einem Lächeln jeden Anflug von schlechter Laune oder Schwermut bei ihm vertreiben konnte. Das kleine Mädchen gab es nicht mehr. Stattdessen nur eine kleine Nutte, die sich ihren süßen Hintern von alten Böcken vergolden ließ. Willem sagte sich, dass es ihre eigene Entscheidung war, dass sie niemand gezwungen hatte, eine Nutte zu werden. Aber dass sie sich als Nutte leichter auf das einlassen würde, was er von ihr wollte.

»Was stellst du mit dem ganzen Geld an, das du jetzt verdienst?«, fragte er.

»So viel ist es gar nicht. Viel geht für Klamotten drauf. Ich kann ja nicht jeden Abend im Club in demselben Fummel auftauchen.«

»Und die Wohnung?«

Für die Wohnung, sagte Pia, zahle sie monatlich fünfhundert Pfund. Das war für Londoner Verhältnisse geradezu billig. Ein englisches Mannequin, das für ein Jahr in Hongkong war, hatte sie angemietet und ihr überlassen. Nach ihrer Rückkehr müsste sich Pia eine neue Bleibe suchen.

Es war also gar nicht ihre Wohnung. Deswegen die geschmackvolle Einrichtung, dachte Willem, ohne es auszusprechen.

»Bleibt am Ende des Monats etwas übrig?«

»Je nach dem, wie das Geschäft läuft. Es hängt auch davon ab, wie oft ich mit den Gästen rausgehe.«

Pia hoffte, in drei Jahren genug Geld zusammen zu haben, um zurück nach Spanien zu gehen. Sie träumte davon, dort ein kleines Hotel aufzumachen.

»Ich mag London. Aber auf Dauer geht mir der viele Regen auf die Nerven. Ich brauche einfach Sonne, viel Sonne. Sonst gehe ich ein wie eine Primel.«

Willem teilte den Rest des Weißweins zwischen ihnen auf.

»Aber du wolltest mir doch einen Job anbieten? Kann ich mir damit mein kleines Hotel verdienen?«, fragte Pia.

»Nicht nur ein kleines«, sagte er.

»Dann mal raus mit der Sprache.«

Willem schaute sich um. Das Restaurant war immer noch bis auf den letzten Platz besetzt.

»Lass uns besser irgendwo hingehen, wo es ruhiger ist.«

Pia sah auf die Uhr.

»Vergiss nicht, es ist Sonntag. Und wir haben schon nach elf. Da dürfte es schwierig werden, überhaupt etwas zu finden, was noch auf hat. Aber wenn du willst, können wir wieder zu mir gehen.«

Willem war einverstanden. Er hatte ganz vergessen, dass die Pubs sonntags schon um halb elf Uhr schlossen. Zudem hatte er gar nicht bemerkt, wie die Zeit verging. Er zahlte die Rechnung, sie standen auf und fuhren mit dem Taxi zu ihr.

Willem saß in dem weißen Loom-Chair und nippte an einer heißen Tasse Kaffee. Pia hatte sich auf die beige Couch gefläzt, ein Glas Champagner in der Hand. Sie hatte sich schnell an ihren bescheidenen Wohlstand gewöhnt, dachte er. Wenn sie so weiter machte, würde ihr nicht viel Geld für ihr kleines Hotel bleiben.

»Nun schieß mal los, mein Lieber! Ich bin ganz Ohr.«

Selbst ihre Stimme klang in Willems Ohren jetzt irgendwie nuttig. Er versuchte, seinen Ekel zu verbergen.

»Ich hoffe, du bist jetzt nicht schockiert.« Er machte eine Pause. »Es geht um eine Entführung, eine Kindesentführung.«

Er hatte mit vielem gerechnet, nur nicht mit dieser Reaktion. Pia lachte laut auf. Sie schüttelte sich geradezu, dass sie beinahe den Champagner verschüttet hätte.

»Du willst jemanden entführen!« Ihre Stimmlage änderte sich. Sie sprach zu ihm, als würde sie zu einem kleinen Jungen reden. »Das darf man aber nicht. Das ist verboten. Weiß der brave Willem das nicht?«

Er fühlte eine unbändige Wut in sich aufsteigen. Ihn machte rasend, dass ihre Verwunderung so echt wirkte, ebenso ihr Spott. Er hätte dieser Schlampe links und rechts eine Ohrfeige verpassen können. Was bildete sich diese kleine Nutte eigentlich ein? Willem haute mit der flachen Hand auf einen Zeitschriftenstapel.

»Es ist mir damit verdammt ernst!«

Pia zuckte zusammen.

»Schon gut. Man wird ja noch mal scherzen dürfen.«

Ganz kurz sah Willem so etwas wie Angst in Pias Augen aufleuchten. Dann hatte sie sich wieder gefangen.

»Gut. Erzähl mir deinen verwegenen Plan. Du kannst mit meiner ungeteilten Aufmerksamkeit rechnen«, sagte sie gestelzt.

Willem fing an. Er erzählte von Henry Hewitt und seinem Antiquitätenschmuggel und von seiner zufälligen Begegnung mit ihm und seiner Tochter im Holland Park. Davon, dass er Geld brauchte und warum er glaubte, dass Hewitt der richtige Mann wäre, um an dieses Geld zu kommen.

»Und welche Rolle soll ich nun spielen? Soll ich dir deinen Hewitt verführen?«

»Nein, darum geht es nicht.« Willem wurde wieder wütend, bemühte sich aber, die Wut zu unterdrücken. »Du sollst dich um das Kind kümmern. Und auch den Wagen fahren. Ich kann ja schlecht beides tun, mir das Kind schnappen, es ruhig halten und chauffieren.«

Pia schien nachzudenken.

»Wann sollen wir dein höheres Töchterchen entführen, und wo?«

»Die Details müssen noch geklärt werden. Darüber konnte ich mir noch keine Gedanken machen.«

Willem wusste, dass seine Antwort unbefriedigend war, fast lächerlich klang. Aber was sollte er anderes sagen? Er wusste selbst, dass es noch eine ganze Reihe von Schwierigkeiten zu überwinden gab. Er wollte sich nur ihrer grundsätzlichen Unterstützung vergewissern. Das würde alles Weitere vereinfachen.

Pia richtete sich auf. Sie zögerte einen Augenblick.

»Ich muss dir etwas sagen, Will. Ich mache mit. Aber nur unter der Bedingung, dass mein Freund auch mitmachen kann.«

Willem war völlig überrascht. Damit hatte er nicht gerechnet.

»Welcher Freund? Ich wusste gar nicht, dass du einen Freund hast.«

»Er ist Russe, heißt Nikita, und wir sind seit zwei Monaten zusammen«, brachte Pia hervor, als müsse sie einer lästigen Pflicht genüge tun. »Wir wollen zusammen nach Spanien gehen. Und ich denke, es wäre nicht fair, wenn ich mit dir die Entführung tatsächlich durchziehen würde, ohne ihn zu beteiligen oder ohne ihm überhaupt etwas davon zu sagen.«

»Weiß er, dass du im Club arbeitest?«

Eine bessere Frage fiel Willem spontan nicht ein.

»Nein. Ich habe ihm gesagt, ich würde in einem Table-Dance-Schuppen arbeiten. Daran hat er schon schwer zu schlucken. Den Club und – du weißt, was ich meine – würde er nicht verkraften.«

»Aber über eine Entführung willst du ihn unbedingt einweihen, du willst ihn sogar beteiligen! Ich verstehe dich nicht.«

»Das ist etwas anderes. Nikita liebt mich wirklich. Er würde sein Leben für mich geben.«

»Das wird hoffentlich nicht nötig sein«, sagte Willem süffisant.

»Vielleicht kann ich es dir nicht erklären. Aber für mich bleibt es dabei: entweder mit ihm zusammen oder gar nicht.«

Willem verstand sie nicht oder wollte sie nicht verstehen. Er sah nur, dass es Pia ernst war, so ernst, dass er sie nicht umstimmen konnte.

»Wenn es mit der Entführung tatsächlich klappen sollte, wird es in jedem Fall das Beste sein, dass ich London sofort verlasse. Was soll ich Nikita dann sagen? Wie soll ich ihm erklären, woher ich das Geld habe, um schon jetzt nach Spanien zurückzugehen?«

Ihm fiel nichts ein, was er Pia noch entgegenhalten konnte.

»Also gut. Wann kann ich mit Nikita reden?«

»Zuerst rede ich mit ihm. Gib mir ein paar Tage Zeit. Ich melde mich bei dir.«

Willem ahnte nichts Gutes. Nicht das Geld war seine Sorge, das nun durch drei geteilt werden müsste. Bei Dreien würden immer zwei gegen einen arbeiten. Das war seine Befürchtung. Und er wäre in dieser Verbindung der eine, gegen den sich die beiden anderen verbündeten. Er sagte Pia davon nichts. Er sagte ihr nur, er sei einverstanden. Ihm blieb nichts anderes übrig.